Kaum eine architektonische Stilrichtung hat neben der Gotik so sehr das Stadtbild von Barcelona geprägt wie die des Modernisme - des katalanischen Jugendstils.
Die Epoche des Modernisme hinterließ Barcelona ein einzigartiges Kulturerbe. Dies beweist die Tatsache, dass sich in keiner anderen Stadt so viele Bauwerke auf der UNESCO-Liste des Welterbes befinden, wie hier in Barcelona. Neun Einträge verzeichnet die Liste, allesamt Sehenswürdigkeiten des Modernisme.
Highlights des Modernisme
- Viele Bauwerke in Barcelona auf der UNESCO-Welterbeliste
- Außergewöhnliche Architektur
- Viele berühmte Architekten und Maler
- Spannende Führungen zum Modernisme
Kontext des Modernisme: katalanischer Nationalismus und das bourgeoise Mäzenatentum
Barcelona hat im 19. Jahrhundert eine stark wachsende Zahl an wohlhabenden Großbürgern. Eine boomende Industrie und wachsendes Kapital in Barcelona geben der Bevölkerung ein neues Selbstwertgefühl, das Großbürgertum fühlt sich finanziell stark in einem politisch stabilen Umfeld. Der Rest Spaniens verfällt jedoch durch die Verluste der Kolonien Kuba, Puerto Rico und den Philippinen in eine wirtschaftliche und mentale Depression. Das ist ein idealer Nährboden für einen erstarkenden Nationalstolz der Katalanen. Es beginnt die Zeit der Renaixença, der Wiederbelebung katalanischer Traditionen und der nationalen Kultur.
In diesem Umfeld ist es fast zwangsläufig, dass reiche Großbürger ihr Interesse und ihre Mittel nutzen, um der Renaixença Auftrieb zu verleihen. Sie fördern gezielt katalanische Künstler und vor allem Architekten, die einen eigenen Stil entwickelten, materiell und verhalfen ihnen zu Ansehen. Auch die Tatsache, dass man mit großzügigen und bemerkenswerten Bauwerken schnell den Adel einholen konnte, was das Ansehen der Personen betrifft, beflügelte das großzügige Mäzenatentum.
Hinzu kommen ideale räumliche Bedingungen. Auf dem bis dahin unbebauten Gebiet nördlich der Altstadt entsteht der Stadtteil Eixample, um Wohnraum für die wachsende Bevölkerung zu schaffen.
Bekanntester der Mäzene ist zweifelsohne der Industrielle Eusebi Güell (1846-1918). 1878 wurde Antoni Gaudí von Güell entdeckt. Seitdem verbindet die beiden eine tiefe freundschaftliche und wirtschaftliche Beziehung. Immer wieder beauftragt Güell seinen Zögling. Bekannteste Werke sind der Stadtplast Palau Güell, der Parc Güell, der ursprünglich als Gartensiedlung konzipiert war, und die Colonia Güell, von der jedoch nur die Krypta fertig gestellt wird. Beide verband eine tiefe Religiosität.
Entwicklung des Modernisme
Mit dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten ist der Modernisme ein Ausdruck der Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien. Dies im Gegensatz zum Jugendstil im übrigen Europa, der eher ein Ausdruck des damaligen Zeitgeistes ist.
1878 veröffentlicht der Politiker, Physiker, Künstler, Schriftsteller und Architekt Lluís Domenèch i Montaner den Artikel En busca de una arquitectura nacional (Auf der Suche nach einer nationalen Architektur) in der Zeitschrift La Renaixança. Darin beschreibt er noch sehr theoretisch, wie eine eigenständige katalanische Architektur auszusehen habe.
Neben der Einweihung des ersten Modernisme-Bauwerkes - von Domènech i Montaner das Café zur Weltausstellung 1888 - wird dieses Datum ebenfalls als Beginn der Epoche des Modernisme bezeichnet.
Das was noch theoretisch erörtert wurde, nimmt zur Weltausstellung 1888 Gestalt an. Lluís Domenèch i Montaner entwirf das Café der Weltausstellung. Klare Formen dominieren das frühe Werk des Modernisme. Das Gebäude Castell dels tres dragons (Burg der drei Drachen) beherbergt heute das Zoologische Museum.
Der Erfolg der Weltausstellung und die Beachtung, die dabei das im neuen Stil errichtete Gebäude findet, führt zum Durchbruch des Modernisme. Sich Gebäude im Stile des Modernisme errichten zu lassen, ist nicht nur eine Frage des Prestiges, sondern ein Gradmesser dafür, wie katalanisch-patriotisch der Bauherr ist.
Die Weitläufigkeit und die rege Bautätigkeit im Neubaugebiet ist eine ideale "Spielwiese" für die modernistischen Architekten, ihre Fantasien auszuleben. In Barcelona und Katalonien gibt es heute noch über 2.000 Gebäude, die dem Modernisme zuzuordnen sind bzw. bei denen modernistische Elemente vorhanden sind.
1906 erfährt der Modernisme erstmals Gegenwind. Der Journalist und Kunstkritiker Eugeni d'Ors beginnt in seinen Kommentaren gegen den Modernisme und für einen neuen Stil, den Noucentisme (in etwa "neue Bewegung des 20. Jahrhunderts"), zu argumentieren.
Um 1910 begann der Niedergang des Modernisme. Auf Grund der Förderung durch das Großbürgertum - und sicher auch durch das bourgeoise Verhalten mancher Künstler - erlangte der Modernsime einen Ruf von Verschwendung und Dekadenz, zu dessen Imagewandel Eugeni d'Ors in seinen Kommentaren sicher beiträgt.
Modernistische Bauwerke zeugen nun in den Augen der Menschen von "schlechtem Geschmack". An Stelle aufwändiger Formen der modernistischen Fassaden werden nun in der Epoche des "Noucentisme" geradlinigere und funktionalere Formen bevorzugt. Vertreter des Modernisme, die schon immer klarere Formen bevorzugten, taten sich leichter mit der Umstellung auf den neuen Zeitgeist, wie z.B. der Architekt Josep Puig i Cadafalch. Andere hingegen verschwanden in der Bedeutungslosigkeit. Antoni Gaudí widmete sich ab 1912 bis zu seinem Tod ausschließlich dem Bau "seiner" Kirche, der Sagrada Familia.
Heute wünschen wir uns wieder mehr dieser organischen Formen statt nüchterner Zweckbauten.
Bedeutendste Vertreter der Architektur des Modernisme
Die Architektur des Modernisme ist im Wesentlichen geprägt von drei genialen Architekten: Lluís Domènech i Montaner, der den Modernisme im Wesentlichen begründete, Josep Puig i Cadafalch und der genialste unter Ihnen: Antoni Gaudí.
Domènech i Montaner (1850-1923) lässt in seinen Bauten sehr häufig maurische Elemente einfließen (Casa dels tres Dragons, Hospital de Santa Creu i de Sant Pau). Die Werke von Josep Puig i Cadafalch (Casa Amatller, direkt neben dem Casa Battló von Gaudí, Casa Casaromana, in der sich heute das CaixaForum befindet) erkennt man an ihren klaren, einfachen Linien. Er war es auch, der sich am besten in die Zeit des Noucentisme, die Kunstrichtung, die mit den verspielten Formen des Modernisme brach, integrieren konnte. Antoni Gaudí, der durch seine besondere Genialität und Kreativität eine Sonderrolle im Modernisme einnimmt, bevorzugt organische, von der Natur inspirierte Formen (Casa Milà, Casa Batlló, Parc Güell).
Besonderheiten des Modernisme
Die Werke des Modernisme sollte man vor dem Hintergrund sehen, dass hier eine nationalistische, eine die Eigenständigkeit Kataloniens betonende Haltung besteht. So finden Sie in den Werken unzählige Hinweise, Symbole der katalanischen Identität; viele historische Formen und Motive der katalanischer Volkskunst finden sich in und and den Bauwerken modernistischer Bauherren. Beispiele sind hier die Verwendung des katalanischen Wappens oder die Darstellung des katalanischen Schutzpatrons Sant Jordi und der Georgs-Legende, wie Sie sie vor allem bei Werken Gaudís wiederfinden.
Charakteristisch ist aber vor allem eines: die Kombinationen von Formen und Farben mit Materialien und Bauweisen. So finden Sie bei Domènech i Montaner sehr viele Keramikarbeiten an den Fassaden, er arbeitet viel mit aus Stahl und Glas erzeugten Formen. Dies zusammen mit sehr ausgeprägten maurischen Elementen. Auch traditionelle Handwerkskunst wird im Modernisme perfektioniert, z.B. den Backsteinbau oder die Schmiedekunst.
Eine besondere Rolle haben die Werke Gaudís, er sprengt den Rahmen des Modernisme. Natürliche Formen herrschen in seinen Werken vor. Seine Techniken zur Ermittlung statisch optimaler Strukturen sind genauso revolutionär und genial, wie sie einfach sind. Für Bögen spannt er Seile, die durchhängende Form, die sich daraus ergibt, dreht er um und so ergibt sich die Form z.B. eines Torbogens. Im Museum der Sagrada Familia finden Sie solch ein Modell, mit der er die Statik der Sagrada Familia entworfen hat.
Malerei während des Modernisme
Die bildenden Künstler entwickeln nur mühsam einen eigenen Stil im Modernisme. Sie erreichen jedoch nie den Weltruhm und die Genialität der drei bedeutenden katalanischen Architekten. Den Architekten werden im Gegensatz zu den bildenden Künstlern sämtliche Freiheiten gewährt, ihre Kreativität auszuleben. In der Malerei bevorzugt man lange Zeit eher konservative Werke. Sogar als sich in der Kunsthauptstadt Paris bereits der Impressionismus durchgesetzt hat, hängen in den Galerien immer noch realistisch gemalte Landschaftsbilder. Die Maler Monet, Renoir, Manet und Pisarro haben auf der Weltausstellung nur mäßigen Erfolg.
Die bedeutendsten unter der Malern sind Ramón Casas (1861-1932) und Santiago Rusiñol (1861-1931). Beide kamen - typisch für den Modernisme - aus großbürgerlichem Haus und verbrachten einige Zeit in Paris, von wo aus sie den Impressionismus mit nach Barcelona brachten. Hier zählte dann nicht mehr die detailgetreue Abbildung der Landschaft auf der Leinwand.
Werke beider Künstler sind im Museu National d'Art de Catalunya (MNAC) ausgestellt. Im Museu del Cau Ferrat in Sitges hat man einen besonderen Schwerpunkt auf die Malerei des Modernisme gelegt. Hier finden Sie Werke u.a. von Casas und Rusiñol. In der Oper Liceu, im Kloster Montserrat finden Sie zudem Werke Casas.
Insbesondere Rusiñol, der als eine Art Anführer der modernistischen Künstler gilt, wird durch die Anhänger des Noucentisme, hier vor allem von Eugeni d'Or, diskreditiert.
Das Café Els Quatre Gats
Erwähnen muss man das El Quatre Gats, wenn man die Kunstwelt des Modernisme beschreibt. Schon deshalb, weil es heute wieder eröffnet ist und als Café mit seinem ursprünglichen Ambiente genutzt wird. "Els Quatre Gats" heißt übersetzt "die vier Katzen", ist aber eine katalanische Redewendung, mit der man etwas "verrückte" Leute, die Außenseiter sind, bezeichnet. Das Café Els Quatre Gats wird 1897 von den vier Künstlern Miguel Utrillo, Pere Romeu und von Ramón Casas und Santiago Rusiñol eröffnet.
Die vier Freunde organisieren hier Ausstellungen und veranstalteten Konzerte. Picasso hatte im Els Quatre Gats seine erste Ausstellung. Hier treffen sich bald alle, die im Modernisme Rang und Namen haben. 1898 wird von diesem Zirkel auch die gleichnamige Kunstzeitschrift gegründet, die von den Künstlern illustriert wird und in der sie - oft auch als Schriftsteller tätig - ihre Ansichten verbreiten.
Das Gebäude selbst ist ein frühes Werk von Puig i Cadafalch. An den Wänden hängen heute Reproduktionen der Gründer, Sie können hier sehr gut essen oder an der Bar einfach nur etwas trinken.
Sehenswürdigkeiten und Persönlichkeiten des Modernisme
In ganz Barcelona hat der Modernisme seine Spuren hinterlassen und die Stadt stark geprägt. Manchmal ist es nur ein Tor zu einer Einfahrt, aber oft genug sind es imposante Gebäude oder ein Park, den man dem Modernisme zuordnen kann. Hier finden Sie die wichtigsten Gebäude und Sehenswürdigkeiten, zu den meisten können Sie hier den Eintritt buchen.